Danach
Es wird nach einem happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.
Man sieht bloß noch in ihre Lippen
den Helden seinen Schnurrbart stippen-
da hat sie nun den Schentelmen.
Na,und denn-?
Denn jehn die beeden brav ins Bett
Naja.....diß is ja auch janz nett.
A manchmal möchte man doch jern wissen:
Wat tun se, wenn se sich nich kissen?
Die könn ja doch nich immer penn.....!
Na, und denn-?
Denn säuselt im Kamin der Wind.
Denn kricht det junge Paar 'n Kind.
Denn kocht se Milch. Die Milch looft üba.
Denn macht er Krach.Denn weent sie drüba.
Denn wolln sich beede jänzlich trenn.....
Na, und denn-?
Denn is det Kind nich uffn Damm.
Denn bleihm die beeden doch zesamm.
Denn quäln se sich noch manche Jahre.
Er will noch wat mit blonde Haare:
vorn doof und hinten minorenn....
Na, und denn-?
Denn sind se alt.
Der Sohn haut ab.
Der Olle macht nu ooch bald schlapp.
Vajessen Kuß und Schnurrbartzeit-
Ach, Menschenskind,wie liecht det weit!
Wie der noch scharf uff Muttern war,
det is schon beinah nich mehr wahr!
Der olle Mann denkt so zurück:
wat hat er nu von seinen Jlück?
Die Ehe war zum jrößten Teile
vabrühte Milch und Langeweile.
Und darum wird beim happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.
Tucholsky
Romanze vom nützlichen Soldaten
Rieke näht auf die Maschine;
Nischke ist bei´s Militär,
Dennoch aber ließ sie ihne
Niemals nahe bei sich her.
Wozu, fragte sie verächtlich,
Wozu hilft mich der Soldat,
Wenn man bloß durch ihn hauptsächlich
So viel hohe Steuern hat?
Einstmals ging sie in das Holze,
Nischke wollte gerne mit;
Aber nein, partu nicht wollt se,
Daß er ihr dahin beglitt.
Plötzlich springt aus das Gebüsche
Auf ihr zu ein alter Strolch;
Stiere Augen, wie die Fische,
Kalte Hände, wie der Molch.
Runter, schreit er, mit die Kleider,
Denn sie lebt in Überfluß,
Da ich ein Fabrikarbeiter,
Der sich was verdienen muß.
Weinend fällt das Kleid und Röckchen,
Zitternd löst sich der Turnür,
Nur ein kurzes Unterglöckchen
Schützt vor Scham und Kälte ihr.
Bauz! Da fällt ein Schuß mit Schroten.
Fluchend lauft der Vagabund
Mit verletztem Hosenboden
In des Waldes Hintergrund.
Das tat Nischke, der trotz allen
Rieken heimlich nachgeschleicht,
Die sich unter Dankeslallen
Jetzt um seinen Hals verzweigt.
0 ihr Mädchens, laßt euch raten,
Ehrt und liebet den Soldat;
Weil er sonst vor seine Taten
Nicht viel zu verzehren hat.
W.Busch
Leute aus Büros,
reißt euch mal zum Wintersporten
von den Öfen los.
stellt die Gläser fort.
Widme dich dem freien, frischen
frohen Wintersport.
Gletscherfexlertum
und bedeckt uns nach der Reihe
all mit Schnee und Ruhm.
jeder Sport ist plus,
und mit etwas Geist dahinter
wird er zum Genuß.
Dicke dünn, und macht
Dünne hinterher robuster,
gleichsam über Nacht.
kürzt die öde Zeit,
und er schützt uns durch Vereine
vor der Einsamkeit.
Luft, gibt Appetit;
was uns wieder ins verrauchte
treue Wirtshaus zieht.
Muskeln trotzig hebt
und fortan in Illustrierten
Blättern weiterlebt.
Im Zivilstand Lampenputzer;
Ging im Revoluzzerschritt
Mit den Revoluzzern mit.
Und er schrie: „Ich revolüzze!“
Und die Revoluzzermütze
Schob er auf das linke Ohr,
Kam sich höchst gefährlich vor.
Doch die Revoluzzer schritten
Mitten in der Straßen Mitten,
Wo er sonsten unverdrutzt
Alle Gaslaternen putzt.
Sie vom Boden zu entfernen,
rupfte man die Gaslaternen
Aus dem Straßenpflaster aus,
Zwecks des Barrikadenbaus.
Aber unser Revoluzzer
Schrie: „Ich bin der Lampenputzer
Dieses guten Leuchtelichts.
Bitte, bitte, tut ihm nichts!
Wenn wir ihn’ das Licht ausdrehen,
Kann kein Bürger nichts mehr sehen,
Laßt die Lampen stehn, ich bitt!
Denn sonst spiel’ ich nicht mehr mit!“
Doch die Revoluzzer lachten,
Und die Gaslaternen krachten,
Und der Lampenputzer schlich
Fort und weinte bitterlich.
Dann ist er zuhaus geblieben
Und hat dort ein Buch geschrieben:
Nämlich, wie man revoluzzt
Und dabei doch Lampen putzt.
Erich Mühsam“
Hans der Schwärmer
Hans Töffel liebt Schön Doris sehr,
Schön Doris Hans Töffel vielleicht noch mehr.
Doch seine Liebe, ich weiß nicht wie,
ist zu scheu, zu schüchtern, zu viel Elegie.
Im Kreise liest er Gedichte vor,
Schön Doris steht unten am Gartentor:
ach, käm‘ er doch frisch zu mir hergesprungen,
wie wollt‘ ich ihn herzen, den lieben Jungen.
Hans Töffel liest oben Gedichte.
Am andern Abend, der blöde Tor,
Hans Töffel trägt wieder Gedichte vor,
was Schön Doris wirklich sehr verdrießt,
da er immer weiter und weiter liest.
Sie schleicht sich hinaus, er gewahrt es nicht;
just sagt er von Heine ein herrlich Gedicht.
Schön Doris steht unten in Rosendüften
und hätte so gern seinen Arm um die Hüften.
Hans Töffel liest oben Gedichte.
Am andern Abend ist großes Fest,
viel Menschen sind eng aneinander gepresst.
Heut muss er’s doch endlich sehn, der Poet,
wenn Schön Doris sacht aus der Türe geht.
Der Junker Hans Jürgen, der merkt es gleich;
die Linden duften, die Nacht so weich.
Und unten im stillen, dunkeln Garten
braucht heute Schön Doris nicht lange zu warten.
Hans Töffel liest oben Gedichte.
Detlev von Liliencron
wie es das nur noch in Büchern gibt.
Sie hatte kein Geld. Und er hatte keins.
Da machten sie Hochzeit und lachten sich eins.
Und speisten zweimal in der Woche warm.
Er nannte sie trotzdem: "Mein Schmetterling".
Sie schenkte ihm Kinder, so oft es nur ging.
Die Kinder schliefen im Kleiderschrank.
Zu Weihnachten malten sie kurzerhand
Geschenke mit Buntstiften an die Wand.
und spielten: Wie Gänsebraten schmeckt.
Dergleichen stärkt wohl die Phantasie.
Drum wurde der Mann, blitzblatz! ein Genie.
und wurde der reichste Mann auf der Welt.
Erst waren sie stolz. Doch dann tat's ihnen leid,
denn Reichtum schadet der Heiterkeit.
Und wenn sie nicht gestorben sind ...
Faustin
Faustin, der ganze funfzehn Jahr
Entfernt von Haus und Hof und Weib und Kindern war,
Ward, von dem Wucher reich gemacht,
Auf seinem Schiffe heimgebracht.
"Gott", seufzt der redliche Faustin,
Als ihm die Vaterstadt in dunkler Fern erschien,
"Gott, strafe mich nicht meiner Suenden,
Und gib mir nicht verdienten Lohn!
Lass, weil du gnaedig bist, mich Tochter, Weib und Sohn
Gesund und froehlich wieder finden."
So seufzt Faustin, und Gott erhoert den Suender.
Er kam, und fand sein Haus in Ueberfluss und Ruh.
Er fand sein Weib und seine beiden Kinder,
Und--Segen Gottes!--zwei dazu.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.
Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.
Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.
Bald war er beinah verrostet.
Da aber kehrte sein früheres Glück,
Die alte Schraube, wieder zurück.
Sie glänzte übers ganze Gesicht.
Ja, alte Liebe, die rostet nicht!
Es blaut die Nacht, die Sternlein blinken,
Schneefloecklein leis herniedersinken.
Auf Edeltaennleins gruenem Wipfel
haeuft sich ein kleiner weisser Zipfel.
Und dort vom Fenster her durchbricht
den dunklen Tann ein warmes Licht.
Im Forsthaus kniet bei Kerzenschimmer
die Foersterin im Herrenzimmer.
In dieser wunderschoenen Nacht
hat sie den Foerster umgebracht.
Er war ihr bei des Heimes Pflege
seit langer Zeit schon im Wege.
So kam sie mit sich ueberein:
am Niklasabend muss es sein.
Und als das Rehlein ging zur Ruh',
das Haeslein tat die Augen zu,
erlegte sie direkt von vorn
den Gatten ueber Kimme und Korn.
Vom Knall geweckt ruempft nur der Hase
zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase
und ruhet weiter suess im Dunkeln,
derweil die Sternlein traulich funkeln.
Und in der guten Stube drinnen
da laeuft des Foersters Blut von hinnen.
Nun muss die Foersterin sich eilen,
den Gatten sauber zu zerteilen.
Schnell hat sie ihn bis auf die Knochen
nach Waidmanns Sitte aufgebrochen.
Voll Sorgfalt legt sie Glied auf Glied
(was der Gemahl bisher vermied)-,
behaelt ein Teil Filet zurueck
als festtaegliches Bratenstueck
und packt zum Schluss, es geht auf vier
die Reste in Geschenkpapier.
Da toent's von fern wie Silberschellen,
im Dorfe hoert man Hunde bellen.
Wer ist's, der in so tiefer Nacht
im Schnee noch seine Runden macht ?
Knecht Ruprecht kommt mit goldenem Schlitten
auf einem Hirsch herangeritten !
"He, gute Frau, habt ihr noch Sachen,
die armen Menschen Freude machen ?"
Des Foersters Haus ist tief verschneit,
doch seine Frau steht schon bereit:
"Die sechs Pakete, heil'ger Mann,
's ist alles, was ich geben kann."
Die Silberschellen klingen leise,
Knecht Ruprecht macht sich auf die Reise.
Im Foerstershaus die Kerze brennt,
ein Sternlein blinkt - es ist Advent.
Mein Freund, an einem Sonntagmorgen,
Tät sich ein hübsches Rößlein borgen.
Mit frischem Hemd und frischem Mute,
In blanken Stiefeln, blanken Hute,
Die Haltung stramm und stramm die Hose,
Am Busen eine junge Rose,
So reitet er durch die Alleen,
Wie ein Adonis anzusehen.
Die Reiter machen viel Vergnügen,
Wenn sie ihr stolzes Roß bestiegen.
Nun kommt da unter sanftem Knarren
Ein milchbeladner Eselskarren.
Das Rößlein, welches sehr erschrocken,
Fängt an zu trappeln und zu bocken,
Und, hopp, das war ein Satz, ein weiter!
Dort rennt das Roß, hier liegt der Reiter,
Entfernt von seinem hohen Sitze,
Platt auf dem Bauche in der Pfütze.
Die Reiter machen viel Vergnügen,
Besonders, wenn sie drunten liegen.
W.Busch
Fußball (nebst Abart und Ausartung)
heit, aber selten, Gott sei Dank!
Ich kenne wen, der litt akut
an Fußballwahn und Fußballwut.
Sowie er einen Gegenstand
in Kugelform und ähnlich fand,
so trat er zu und stieß mit Kraft
ihn in die bunte Nachbarschaft.
Ob es ein Schwalbennest, ein Tiegel,
ein Käse, Globus oder Igel,
ein Krug, ein Schmuckwerk am Altar,
ein Kegelball, ein Kissen war,
und wem der Gegenstand gehörte,
das war etwas, was ihn nicht störte.
Bald trieb er eine Schweineblase,
bald steife Hüte durch die Straße.
Dann wieder mit geübtem Schwung
stieß er den Fuß in Pferdedung.
Mit Schwamm und Seife trieb er Sport.
Die Lampenkuppel brach sofort.
Das Nachtgeschirr flog zielbewußt
der Tante Berta an die Brust.
Kein Abwehrmittel wollte nützen,
nicht Stacheldraht in Stiefelspitzen,
noch Puffer, außen angebracht.
Er siegte immer, 0 zu 8,
und übte weiter frisch, fromm, frei
mit Totenkopf und Straußenei.
Erschreckt durch seine wilden Stöße,
gab man ihm nie Kartoffelklöße.
Selbst vor dem Podex und den Brüsten
der Frau ergriff ihn ein Gelüsten,
was er jedoch als Mann von Stand
aus Höflichkeit meist überwand.
Dagegen gab ein Schwartenmagen
dem Fleischer Anlaß zum Verklagen.
Was beim Gemüsemarkt geschah,
kommt einer Schlacht bei Leipzig nah.
Da schwirrten Äpfel, Apfelsinen
durch Publikum wie wilde Bienen.
Da sah man Blutorangen, Zwetschen
an blassen Wangen sich zerquetschen.
Das Eigelb überzog die Leiber,
ein Fischkorb platzte zwischen Weiber.
Kartoffeln spritzten und Zitronen.
Man duckte sich vor den Melonen.
Dem Krautkopf folgten Kürbisschüsse.
Dann donnerten die Kokosnüsse.
Genug! Als alles dies getan,
griff unser Held zum Größenwahn.
Schon schäkernd mit der U-Boots-Mine,
besann er sich auf die Lawine.
Doch als pompöser Fußballstößer
Fand er die Erde noch viel größer.
Er rang mit mancherlei Problemen.
Zunächst: Wie soll man Anlauf nehmen?
Dann schiffte er von dem Balkon
sich ein in einen Luftballon.
Und blieb von da an in der Luft,
verschollen. Hat sich selbst verpufft. -
Ich warne euch, ihr Brüder Jahns,
vor dem Gebrauch des Fußballwahns!
Unterm Apfelbaum
Lieschen kletterte flink hinauf
Bis in die höchsten Äste,
Fing in der Schürze die Äpfel auf
Ihrer Mutter zum Feste.
Ich lag unten, verliebt und faul,
Auf dem Rücken im Grase;
Mancher Apfel fiel mir ins Maul,
Mancher mir auf die Nase.
Jetzt stand Lieschen auf starkem Ast,
Schelmisch sah sie hernieder;
Ihres Leibes liebliche Last
Wiegte sich hin und wieder.
Innig umschlungen hielten sich
Splitternackt ihre Füße,
Taten sich auf und befühlten sich -
Winkten mir tausend Grüße.
Durch das Röckchen sandte der Tag
Seine goldenen Strahlen,
Was darunter geborgen lag,
Farbenprächtig zu malen.
Schimmernd rings um die weiße Haut
Wob sich die gedämpfte Helle;
Welcher Meister hat je gebaut
Prächtiger eine Kapelle.
Kindlich faltet ich da die Händ',
Forderte heiß und brünstig:
Was kein irdischer Name nennt,
Werde dem Sünder günstig.
Sieh, und am nämlichen Abend schon,
Tief in die Kissen gebettet,
Wurden der kindlichen Bitte zum Lohn
Leib und Seele gerettet.
Frank Wedekind
Chanson
Da ist ein Land – ein ganz kleines Land –
Japan heißt es mit Namen.
Zierlich die Häuser und zierlich der Strand,
zierlich die Liliputdamen.
Bäume so groß wie Radieschen im Mai.
Turm der Pagode so hoch wie ein Ei –
Hügel und Berg
klein wie ein Zwerg.
Trippeln die zarten Gestalten im Moos,
fragt man sich: Was mag das sein?
In Europa ist alles so groß, so groß –
und in Japan ist alles so klein!
Da sitzt die Geisha. Ihr Haar glänzt wie Lack.
Leise duftet die Rose.
Vor ihr steht plaudernd im strahlenden Tag
kräftig der junge Matrose.
Und er erzählt diesem seidenen Kind
davon, wie groß seine Landsleute sind.
Straße und Saal
pyramidal.
Sieh, und die Kleine wundert sich bloß –
denkt sich: Wie mag das wohl sein?
In Europa ist alles so groß, so groß –
und in Japan ist alles so klein!
Da ist ein Wald – ein ganz kleiner Wald –
abendlich dämmern die Stunden.
Horch! wie das Vogelgezwitscher verhallt ...
Geisha und er sind verschwunden.
Abendland – Morgenland – Mund an Mund –
welch ein natürlicher Völkerschaftsbund!
Tauber, der girrt,
Schwalbe, die flirrt.
Und eine Geisha streichelt das Moos,
in den Augen ein Flämmchen, ein Schein ...
In Europa ist alles so groß, so groß –
und in Japan ist alles so klein.
Kurt Tucholsky
Die Entwicklung der Menschheit
Einst haben die Kerls auf den Bäumen gehockt,
behaart und mit böser Visage.
Dann hat man sie aus dem Urwald gelockt
und die Welt asphaltiert und aufgestockt,
bis zur dreißigsten Etage.
Da saßen sie nun, den Flöhen entflohn,
in zentralgeheizten Räumen.
Da sitzen sie nun am Telefon.
Und es herrscht noch genau derselbe Ton
wie seinerzeit auf den Bäumen.
Sie hören weit. Sie sehen fern.
Sie sind mit dem Weltall in Fühlung.
Sie putzen die Zähne. Sie atmen modern.
Die Erde ist ein gebildeter Stern
mit sehr viel Wasserspülung.
Sie schießen die Briefschaften durch ein Rohr.
Sie jagen und züchten Mikroben.
Sie versehn die Natur mit allem Komfort.
Sie fliegen steil in den Himmel empor
und bleiben zwei Wochen oben.
Was ihre Verdauung übrigläßt,
das verarbeiten sie zu Watte.
Sie spalten Atome. Sie heilen Inzest.
Und sie stellen durch Stiluntersuchungen fest,
daß Cäsar Plattfüße hatte.
So haben sie mit dem Kopf und dem Mund
Den Fortschritt der Menschheit geschaffen.
Doch davon mal abgesehen und
bei Lichte betrachtet sind sie im Grund
noch immer die alten Affen.
Erich Kästner
Wilhelminisches Krieger-Begräbnis
Hinter dunklen Wolkenbänken
Strahlt sich Sonnenlicht ins Weite.
Einen Krieger zu versenken,
Zieht ein schwarzes Grabgeleite.
Vornean die Musikanten
Die das Unglück ausposaunen,
Kinder, Gaffer und Passanten,
Die mit offnen Mündern staunen.
Und das Lied vom Kameraden,
Hinter diesem eine Pause.
Hinter dieser ein Herr Krause
Mit des Toten Klempnerladen
Hinter diesem die Gebeine,
hinter diesen die Verwandten,
Hinter diesen die Vereine
Und die übrigen Bekannten.
Hinter diesem ein Gelage,
das sie alle nochmal eint.
Hinter diesem neunzig Tage,
Da die arme Witwe weint.
Hinter diesen eine Pause,
aber keine lange nicht.
Hinter dieser jener Krause,
der die Witwe ehelicht.
Vornean die Musikanten,
die das Unglück ausposaunen,
Kinder, Gaffer und Passanten,
die mit offnen Mündern staunen.
Werner Finck
Parabel
Jüngst traf ich einen alten Mann
Und hub ihm vorzusingen an,
Doch an den Mienen des Gesichts
Bemerkt’ ich bald, er höre Nichts.
Da dachte ich: der Greis ist taub,
Drum wird dein Lied des Windes Raub,
So tu ihm denn, nicht durch den Mund,
Durch Zeichen Dies und Jenes kund.
Ich tat's, doch ward mir leider klar,
Dass er auch schon erblindet war,
Denn, wie der Frosch aus seinem Sumpf,
Hervor glotzt, sah er dumpf und stumpf,
Und ungestört in seiner Ruh’,
Der Sprache meiner Finger zu.
Ich rief: mit dem steht’s schlimm genug,
Doch mögt’ ich ihm den letzten Zug
Noch gönnen aus dem Lebensquell!
Da reicht’ ich ihm die Rose schnell,
Die ich für meine Braut gepflückt,
Allein auch das ist schlecht geglückt,
Ihm schien der Duft nicht mehr zu sein,
Wie einem Gartengott von Stein.
Nunmehr verlor ich die Geduld,
Ich dacht’ an meines Mädchens Huld,
Die mir so schmählich jetzt entging,
Da sie die Rose nicht empfing,
Und jagte ihm im ersten Zorn
Ins dicke Fell den scharfen Dorn;
Doch bracht’ auch dies ihm wenig Not,
Er zuckte nicht, er – war wohl tot!
Goethe
Humsti-Bumsti
Humsti war ein schöner Mann,
wohl beliebt bei allen Frauen;
doch auf Bumsti konnte man
nur mit Widerwillen schauen.
Humsti trug sich elegant,
abends Frack und weiße Weste -
Bumsti, dieser trübe Fant,
kam zerlumpt zu jedem Feste.
Humsti rauchte Henry Clays,
parfümierte sich die Haare,
Bumsti roch nach altem Käs
und nach Pfälzer Ausschussware.
Humsti war recht muskulös,
Brust und Waden ohne Fehle,
Bumsti sagte malitiös:
Ich hab´ eine größere Seele!
Adolfine hieß die Frau,
der sie beide Liebe schworen.
Humsti nahm das sehr genau,
Bumsti ließ es ungeschoren.
Humsti schickt ihr Blumen hin,
Wagenräder, ungeheuer;
Bumsti dacht´ in seinem Sinn:
Schenken ist recht hübsch, doch teuer.
Humsti nannt´ sie Schmetterling,
Engel, Göttin, Philomele;
Bumsti, wenn er mit ihr ging,
sprach von seiner großen Seele.
Adolfine, sicherlich
wirst du doch den Humsti nehmen?
Denn mit Bumsti muss man sich
auf der Promenade schämen.
Humsti ist ein Ehrenmann,
makellos, von höchster Reinheit.
Bumsti, jeder sieht´s ihm an,
ist das Urbild der Gemeinheit.
Adolfine sagte: Schwer
ist die Frage, wen ich wähle.
Humsti, der gefällt mir sehr,
Bumsti hat die große Seele.
Adolfine, diese Frau,
blieb nicht stehen beim Verdrusse;
Und sie kam - denn sie war schlau -
schnell zu folgendem Entschlusse:
Tags gab sie mit Wohlbedacht
Humsti lächelnde Befehle
und empfing galant zur Nacht
Bumsti mit der großen Seele.
Rudolf Alexander Schöne
Der Werwolf
Ein Werwolf eines Nachts entwich
von Weib und Kind, und sich begab
an eines Dorfschullehrers Grab
und bat ihn: Bitte, beuge mich!
Der Dorfschulmeister stieg hinauf
auf seines Blechschilds Messingknauf
und sprach zum Wolf, der seine Pfoten
geduldig kreuzte vor dem Toten:
"Der Werwolf", - sprach der gute Mann,
"des Weswolfs"- Genitiv sodann,
"dem Wemwolf" - Dativ, wie man's nennt,
"den Wenwolf" - damit hat's ein End.'
Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,
er rollte seine Augenbälle.
Indessen, bat er, füge doch
zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!
Der Dorfschulmeister aber mußte
gestehn, daß er von ihr nichts wußte.
Zwar Wölfe gäb's in großer Schar,
doch "Wer" gäb's nur im Singular.
Der Wolf erhob sich tränenblind -
er hatte ja doch Weib und Kind!!
Doch da er kein Gelehrter eben,
so schied er dankend und ergeben.
Christian Morgenstern
Der Tod
Gestern, Brüder, könnt ihrs glauben?
Gestern bei dem Saft der Trauben,
(Bildet euch mein Schrecken ein!)
Kam der Tod zu mir herein.
Drohend schwang er seine Hippe,
Drohend sprach das Furchtgerippe:
Fort, du teurer Bacchusknecht!
Fort, du hast genug gezecht!
Lieber Tod, sprach ich mit Tränen,
Solltest du nach mir dich sehnen?
Sieh, da stehet Wein für dich!
Lieber Tod verschone mich!
Lächelnd greift er nach dem Glase;
Lächelnd macht ers auf der Base,
Auf der Pest, Gesundheit leer;
Lächelnd setzt ers wieder her.
Fröhlich glaub ich mich befreiet,
Als er schnell sein Drohn erneuet.
Narre, für dein Gläschen Wein
Denkst du, spricht er, los zu sein?
Tod, bat ich, ich möcht auf Erden
Gern ein Mediziner werden.
Laß mich: ich verspreche dir
Meine Kranken halb dafür.
Gut, wenn das ist, magst du leben:
Ruft er. Nur sei mir ergeben.
Lebe, bis du satt geküßt,
Und des Trinkens müde bist.
Oh! wie schön klingt dies den Ohren!
Tod, du hast mich neu geboren.
Dieses Glas voll Rebensaft,
Tod, auf gute Brüderschaft!
Ewig muß ich also leben,
Ewig! denn beim Gott der Reben!
Ewig soll mich Lieb und Wein,
Ewig Wein und Lieb erfreun!
Gotthold Ephraim Lessing
9. September : Rheinfahrt
Rheinfahrt– schon oft dazu animiert,
vorjeschwärmt mir seit Jahren –
Letzthin im Mai endlich ausjeführt:
Dampfschiff nach Köln jefahren……
Furchtbar enttäuscht ! Höchst mässig Natur:
Weinberje, altes Jemäuer –
Altes Jemäuer un Weinberje nur –
Ewig dieselbe Leier
Reiner Mumpitz auch Lorelei:
Märchen aus alten Zeiten –
Steinstück un weiter jarnischt dabei :
Weiß nich, was soll es bedeuten!
Auch Verpflegung auf Schiff : schauderös !
Immer jehört von Reinheit,
Weine auf Schiff janz deliciös,
Sekt hier zu trinken – Jemeinheit !
Jar nich bestätigt! Entschieden Wein
Besser hier unter Linden !
Beefsteak bestellt : Janz riesig – klein-
Konnte erst jar nich finden !
Dann Jewässer ! Mir jrün jedacht.
Jar nich ! Janz schmutzig – jelbe
Färbung! Von Dichtern jrün jemacht –
Jar nich viel anders wie Elbe!
Oft auch jehört von „Stimmung an Deck!“
Irrthum! Janz riesige Öde!
Stille jesessen auf selbem Fleck –
Jubel, Jesang – nich die Rede!
Hübschen Damen mich retririert….
Nach un nach Kreis erweitert….
Janz ausschließlich ich Wort jeführt:
Janze Jesellschaft erheitert!
Alles rein in Entzücken versetzt –
Stimmung sich endlich jefunden…..
Aber als Schiff jelandet zuletzt –
Damen mit einmal verschwunden---
Weiß nich, was Jnädigen kam in den Sinn,
daß nichmal Abschied nahmen?....
Möglich – zu jeistreich jewesen bin:
Fehler! Schadet bei Damen!
Georg Bötticher
Keine Poesie mehr
Ich wandelte stumm im Walde
so für mich hin,
und ein gar lieber Gedanke
lag mir im Sinn:
Wenn hier eine Schenke stände
mit Bier und Wein,
ich zögerte wohl nicht lange
und ging´ hinein.
Und hätte der Wirt eine Tochter,
wie schön wär´ das!
Und sie in die Wangen kneipen,
das wär´ ein Spaß!
Ich bliebe da und vergäße
wohl all mein Leid
beim Kneipen in der Schenke
und in die Maid ...
Die Schenke blieb und das Mädchen
ach! nur ein Traum.
Nichts stand in dem dummen Walde
als Baum an Baum.
Ich wandelte stumm nach Hause,
ich weiß nicht wie -
Verschwunden ist von der Erde
die Poesie.
Otto Sommerstorff
Mama schöpft aus dem Punschgefäße,
Der Vater lüftet das Gesäße
Und spricht: "Jetzt sind es vier Minuten
Nur mehr bis zwölfe, meine Guten.
Ich weiß, dass ihr mit mir empfindet,
Wie dieses alte Jahr entschwindet,
Und daß ihr Gott in seinen Werken
- Mama, den Punsch noch was verstärken! -
Und dass ihr Gott von Herzen danket,
Auch in der Liebe nimmer wanket,
Weil alles, was uns widerfahren
- Mama, nicht mit dem Arrak sparen! -
Weil, was geschah, und was geschehen,
Ob wir es freilich nicht verstehen,
Doch weise war, durch seine Gnade
- Mama, er schmeckt noch immer fade! -
In diesem Sinne meine Guten,
Es sind jetzt bloß mehr zwei Minuten,
In diesem gläubig frommen Sinne
- Gieß noch mal Rum in die Terrine! -
Wir bitten Gott, dass er uns helfe
Auch ferner - Wie? Es schlägt schon zwölfe?
Dann prosit! Prost an allen Tischen!
- Ich will den Punsch mal selber mischen."
Ludwig Thoma
Eine kleine Geburt
Ich lebte mit Frau Sobernheimer;
sie war so lieb, sie war so nett.
Wir wuschen uns im selben Eimer,
wir schliefen in demselben Bett.
So trieben wir es manches Jahr ...
Bis sie den Knaben mir gebar.
Doch dieser Knabe war kein Knabe.
Wir hatten in der dunklen Nacht
als Zeitvertreib und Liebesgabe
uns dieses Wesen ausgedacht.
Frau S. war jeden Kindes bar.
Der Knabe, der hieß Waldemar.
Und war so klug! – Nach fünfzehn Tagen,
gelebt im Kinderparadies,
da konnte er schon Scheibe sagen,
bis man ihm solches leicht verwies.
Er setzte sich aufs Tintenfaß
und machte meinen Schreibtisch naß.
Er wuchs heran, der Eltern Freude,
ein braves, aufgewecktes Kind.
Wir merkten an ihm alle beude,
wie süß der Liebe Früchte sind.
Da fragte Mutti ganz real:
»Was wird der Junge denn nun mal –?«
Hebamme? General? Direktor?
Bootlegger? Hirt? Ein Schiffsbarbier?
Verlorner Mädchenheim-Inspektor?
Biographist? Gerichtsvollziehr?
Ein Freudenmännchen? Jubilar –?
Uneinig war das Elternpaar.
Ein Krach stieg auf, bis zu den Sternen!
Frau S., die krisch. Die Türe knallt.
Sie wollt ihn lassen Bildung lernen,
ich aber war für Staatsanwalt.
Ein Kompromiß nahm sie nicht an:
im Kino, als Bedürfnismann.
Der Lümmel grölte in der Küche
und fand den Krach ganz wunderbar.
So ging die Liebe in die Brüche –
und alles wegen Waldemar?
Da sprach ich fest: »Mein trautes Glück!
Wir geben dieses Jör zurück!«
Gemacht. Nun ist Frau Sobernheimer
wie ehedem so lieb und nett.
Wir waschen uns im selben Eimer,
wir schlafen in demselben Bett.
Und denken nur noch hier und dar
mal an den seligen Waldemar.
Kurt Tucholsky
Abendlied des Kammervirtuosen
Du meine neunte letzte Sinfonie!
Wenn du das Hemd anhast mit rosa Streifen...
Komm wie ein Cello zwischen meine Knie,
Und lass mich zart in deine Seiten greifen.
Laß mich in deinen Partituren blättern.
(Sie sind voll Händel, Graun und Tremolo) -
Ich möchte dich in alle Winde schmettern,
Du meiner Sehnsucht dreigestrichnes Oh!
Komm lass uns durch Oktavengänge schreiten!
(Das Furioso, bitte, noch einmal!)
Darf ich dich mit der linken Hand begleiten?
Doch beim Crescendo etwas mehr Pedal!!
Oh deine Klangfigur! Oh die Akkorde!
Und der Synkopen rhythmischer Kontrast!
Nun senkst du deine Lider ohne Worte...
Sag einen Ton, falls du noch Töne hast!
Erich Kästner
Der Tierfreund an der Arbeit
Es gibt Menschen, die mit Hunden plaudern,
die vor Läden angebunden sind.
Jeder bess're Hund sieht sie mit Schaudern,
denn in jedem Tierfreund steckt ein Kind.
" Armes Hunderl, so kurz angebunden? "
" Wie Sie sehen ", sagt der Hund voll Groll.
" Na, vertragst dich mit den andern Hunderln ? "
" Aber ja, und leben Sie recht woh! "
" Braves Hunderl, wartet auf das Frauerl...."" Wie Sie sehen ", sagt der Hund und lächelt nett,
" Frauerl kauft nur Fleischi, Fleischi für´s Wauwauerl "
" Wenn ich jetzt nur keinen Maulkorb hätt !! "
" Dir wird wohl die Zeit lang, armes Hunderl ? "" Aber nein, Sie plaudern ja so schön! "
" Na, es dauert nur ein halbes Stunderl "
Dürfen Menschen ohne Maulkorb geh'n ?!
Und nun ist der Mensch im besten Schmeicheln.
" Armes Hunderl, ist dir kalt? " " Nein, keine Spur."
Und nun will der Mensch das Hunderl streicheln.
Und der Hund sagt in der Regel: " Knurrr ! "
Undankbare Viecher sind die Hunde,denkt der Mensch. Geht weg und ist ganz wild.
Und der Hund seufzt auf aus tiefstem Herzensgrunde:
" Und das nennt sich Gottes Ebenbild! "
Peter Hammerschlag
Maskenball im Hochgebirge
Eines schönen Abends wurden alle
Gäste des Hotels verrückt, und sie
rannten schlagerbrüllend aus der Halle
in die Dunkelheit und fuhren Ski.
Und sie sausten über weiße Hänge.
Und der Vollmond wurde förmlich fahl.
Und er zog sich staunend in die Länge.
So etwas sah er zum ersten Mal.
Manche Frauen trugen nichts als Flitter
Andre Frauen waren in Trikots.
Ein Fabrikdirektor kam als Ritter.
Und der Helm war ihm zwei Kopf zu groß.
Sieben Rehe starben auf der Stelle.
Diese armen Tiere traf der Schlag.
Möglich, daß es an der Jazzkapelle -
denn auch die war mitgefahren - lag.
Die Umgebung glich gefrornen Betten.
Auf die Abendkleider fiel der Reif.
Zähne klapperten wie Kastagnetten.
Frau von Cottas Brüste wurden steif.
Das Gebirge machte böse Miene.
Das Gebirge wollte seine Ruh.
Und mit einer mittleren Lawine
deckte es die blöde Bande zu.
Dieser Vorgang ist ganz leicht erklärlich.
Der Natur riß einfach die Geduld.
Andre Gründe gibt es hierfür schwerlich.
Den Verkehrsverein trifft keine Schuld.
Man begrub die kalten Herrn und Damen.
Und auch etwas Gutes war dabei:
Für die Gäste, die am Mittwoch kamen,
wurden endlich ein paar Zimmer frei.
Erich Kästner
Elegischer Rauchermonolog
Lebe wohl, es ist genug
mit dem langen Erdenrummel.
Bald geht unser letzter Zug,
lebe wohl, du alter Stummel.
Anfangs ging es flott voran,
plötzlich kam die große Wende.
Funkensprühend fängt man an,
und ein Stummel ist das Ende.
So verpafft man seine Zeit,
und man streicht uns von der Liste,
Sinnbild der Vergänglichkeit,
Inbegriff der leeren Kiste.
Alles muss in Rauch vergehn,
aufwärts zu den Cherubimen.
War der Anfang noch so schön,
doch der letzte Rest heißt: Priemen.
Alter Bursche, glaube mir,
Stummel sein, ist kein Vergnügen.
Schau mich an, jetzt stehen wir
beide vor den letzten Zügen.
Zeig dich stark und fasse dich,
dass man uns nicht überrasche.
Du bist so verkohlt wie ich,
darum Friede unsrer Asche.
Fred Endrikat (1890-1942)
Gemartert
Ein gutes Tier Es ist halt schön
Ist das Klavier, Wenn wir die Freunde kommen sehn,
Still, friedlich und bescheiden, schön ist es ferner, wenn sie bleiben,
Und muß dabei Und sich mit uns die Zeit vertreiben,
Doch vielerlei Doch wenn sie schließlich wieder gehn,
Erdulden und erleiden. Ist´s auch recht schön
Der Virtuos
Stürzt darauf los
Mit hochgesträubter Mähne. Die erste alte Tante sprach,
Er öffnet ihm "Wir müssen nun auch daran denken,
Voll Ungestüm Was wir zu ihrem Namenstag,
Den Leib gleich der Hyäne. dem guten Sophiechen schenken."
Und rasend wild,
Das Herz erfüllt Darauf die zweite Tante kühn:
Von mörderlicher Freude, "Ich schlage vor, wir entscheiden
Durchwühlt er dann, uns für ein Kleid in Erbsengrün,
Soweit er kann, das mag Sophiechen nicht leiden."
Des Opfers Eingeweide.
Wie es da schrie, Der dritten Tante war das recht:
Das arme Vieh, "Ja", sprach sie,"mit gelben Ranken!
Und unter Angstgewimmer Ich weiß, sie ärgert sich nicht schlecht,
Bald hoch, bald tief Und muß sich auch noch bedanken."
Um Hilfe rief,
Vergess' ich nie und nimmer.
Wirklich, er war unentbehrlich! Die Selbstkritik hat viel für sich,
Überall, wo was geschah Gesetzt den Fall, ich tadle mich,
Zu dem Wohle der Gemeinde, So hab ich erstens den Gewinn,
Er war tätig, er war da.
Schützenfest, Kasinobälle Das ich recht hübsch bescheiden bin;
Pferderennen, Preisgericht, Zum zweiten denken sich die Leut,
Liedertafel, Spritzenprobe, der Mann ist lauter Redlichkeit
Ohne ihn, da ging es nicht. Auch schnapp ich drittens diesen Bissen
Ohne ihn war nichts zu machen, Vorweg den andern Kritiküssen
Keine Stunde hatt' er frei. Und viertens hoff ich außerdem
Gestern, als sie ihn begruben, Auf Widerspruch, der angenehm.
War er richtig auch dabei. So kommt es schließlich dann heraus,
Das ich ein ganz famoses Haus!
Mein kleinster Fehler ist der Neid. – Ach, ich fühl es! Keine Tugend
Aufrichtigkeit, Bescheidenheit, Ist so recht nach meinem Sinn,
Dienstfertigkeit und Frömmigkeit, Stets befind ich mich am wohlsten,
Obschon es herrlich schöne Gaben, Wenn ich damit fertig bin.
Die gönn' ich allen, die sie haben. Dahingegen so ein Laster
Nur wenn ich sehe, daß der Schlechte Ja, das macht mir viel Pläsier,
Das kriegt, was ich gern selber möchte; Und ich hab die hübschen sachen
Nur wenn ich leider in der Nähe Lieber vor als hinter mir
So viele böse Menschen sehe,
Und wenn ich dann so oft bemerke,
Wie sie durch sittenlose Werke Die Tugend will nicht immer passen,
Den lasterhaften Leib ergötzen, Im ganzen läßt sie etwas kalt,
Das freilich tut mich tief verletzen. Und das man eine unterlassen,
Sonst, wie gesagt, bin ich hienieden vergißt man bald.
Gottlobunddank so recht zufrieden. Doch schmerzlich denktmanch alter Knaster,
Der von vergangnen Zeiten träumt,
An die Gelegenheit zum Laster,
Die er versäumt.
W. Busch
Ich hab ein schönes Mädchen
Gehabt;
Das hat mich mit viel Liebe
Gelabt.
Ach Gott, wie war sie niedlich,
Oh Gott, wie war sie nett!
Ich kaufte ihr aus Rosenholz
Ein Himmelbett.
Ich kaufte ihr auch Kleider
Und Schuh;
Die Unterröckchen machten
Frou-frou.
Sie war, beim Himmel, sauber
Und reizend anzusehn,
Es konnte mit ihr jeder Prinz
Zu Tanze gehn.
Da machte mich die Liebe
Verdreht;
Ich ging mit ihr zum Pfarrer,
O bête!
Sie hat mirs nie verziehen,
Daß ich sie so verkannt:
Ist mit dem ersten besten Kerl
Davon gerannt.
Das ist doch niederträchtig,
Nicht wahr?
Ich raufe mir den Bart und
Das Haar.
Die Röckchen, Höschen, Schühchen
Und auch das Himmelbett
Hat nun der miserable Schuft,
Oh Schwerebrett!
Und alles das von wegen
Dem Ring,
Den sie von mir beim Pfarrer
Empfing.
Oh, welch ein großer Esel
War ich und Pavian!
Die Legitimität hat mir
Das angethan.
Und darf ich sie denn schelten?
Oh nein.
Es mußte ganz natürlich
So sein.
Sie hatte für die Ehe
Nun einmal kein Talent;
Das Variété der Liebe war
Ihr Element.
Mag sie zum Teufel tanzen,
Ade!
Mir thun davon die Beine
Nicht weh.
Ich sitze im Parkette
Vergnügt voll Spannung da:
Sie hat den fünften Partner schon –
Halleluja!
Julius Bierbaum
Schaun Sie sich mein Rosel an
Wie sie mich umflattert –
Dass sie mich vergöttert, kann ein Blinder heut schon sehn!
Morgen werd'n wir Frau und Mann –
Ich hab sie ergattert
Und sie ist verrückt nach mir – no, das kann ich verstehn!
Sind wir erst verheiratet, dann kann ich prophezeihn
Niemand wird wie wir so glücklich sein!
Denn sie wird kommandiern
Und mich schikaniern
Und verwünschen jeden Tag, den sie mit mir verbringt!
Sie wird mich peinigen
Und mir schriftlich bescheinigen
Wie sie über mich zerspringt!
Ich werd mich plagen
Und sie wird sagen
Dass unser Nachbar Jossel Braun viel mehr verdient!
Und kommt ein Kind zur Welt
Als Gottes Schmerzensgeld
Wird sie sagen: "Armes Kind!
Nebbich – wos du für'n Vater hast!"", wird sie sagen!
Und täglich wird sie wünschen Gottes Feuer auf mein Haupt, hähäha –
Sie weiß, Gott macht das nicht sehr oft!
Doch komm ich abends müd nach Hause
Dann wartet sie – wenn sie nicht schloft!
Dann lächelt sie und wird grob
Wirft mir an Schuh am Kopp
Und erzählt die ganze Nacht, wie ich ihr ihr Leben verhunz!
No, und ihre Mutter gar
Die wird noch leben a so a fünfzig Jahr –
Davon jeden Tag mit uns!
Sie sehen, unsre Ehe nimmt an harmonischen Verlauf
Soweit ich das schon heute überseh
Nur später, wenn die Kinder groß sind
Und fortgehn, das tut Rosel weh!
Dann weint sie bitterlich –
Zur Abwechslung schimpft sie a bissel auf mich
Weil ich ihr so viel Kinder mach und sie nicht vorher frag!
Doch jetzt genug geredt
Ich muss nach Haus zu Bett –
Denn Morgen ist mein Hochzeitstag
Georg Kreisler
Korrektur in Liebesdingen
Ach, ich hab von Dir genug.
Bist zwar hübsch, doch viel zu klug
Drum lach Dir ´nen andren an,
Der sich mit dir messen kann.
Unlängst wollt ich unter Bäumen
Liebestrunken mit dir träumen
Und ich schmeichle :"Liebes Kind,
nirgends ich ´ne schönre find !
Oh, wie seh ich doch so gerne
In den Augen dein, die Sterne
Lieblich übertreffend strahlen,
Ach, dich müßt´der Dali malen !"
Haspelnd, stotternd, liebestoll,
Stöhn´ ich ihr die Ohren voll:
" Oh, du bist noch schöner wie....."
"Schöner als!!" erwidert sie.
Solches Wort macht Liebe tot -
Und so rief ich zornesrot:
"Eh wir uns belehren müssen,
Laß dich doch von Goethe küssen!!"
Michail Krausnick
Vorfreude auf Weihnachten
Ein Kind – von einem Schiefertafel-Schwämmchen
Umhüpft – rennt froh durch mein Gemüt.
Bald ist es Weihnacht! – Wenn der Christbaum blüht,
Dann blüht er Flämmchen.
Und Flämmchen heizen. Und die Wärme stimmt
Uns mild. – Es werden Lieder, Düfte fächeln. -
Wer nicht mehr Flämmchen hat, wem nur noch Fünkchen glimmt,
Wird dann doch gütig lächeln.
Wenn wir im Traume eines ewigen Traumes
Alle unfeindlich sind – einmal im Jahr! –
Uns alle Kinder fühlen eines Baumes.
Wie es sein soll, wie’s allen einmal war.
Ringelnatz
Der Januar
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Der Weihnachtsmann ging heim in seinen Wald.
Doch riecht es noch nach Krapfen auf der Stiege.
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Man steht am Fenster und wird langsam alt.
Die Amseln frieren.
Und die Krähen darben.
Und auch der Mensch hat seine liebe Not.
Die leeren Felder sehnen sich nach Garben.
Die Welt ist schwarz und weiß und ohne Farben.
Und wär so gerne gelb und blau und rot.
Umringt von Kindern wie der Rattenfänger,
tanzt auf dem Eise stolz der Januar.
Der Bussard zieht die Kreise eng und enger.
Es heißt, die Tage würden wieder länger.
Man merkt es nicht. Und es ist trotzdem wahr.
Die Wolken bringen Schnee aus fremden Ländern.
Und niemand hält sie auf und fordert Zoll.
Silvester hörte man’s auf allen Sendern,
dass sich auch unterm Himmel manches ändern
und, außer uns, viel besser werden soll.
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und ist doch hunderttausend Jahre alt.
Es träumt von Frieden. Oder träumt’s vom Kriege?
Das Jahr ist klein und liegt noch in der Wiege.
Und stirbt in einem Jahr. Und das ist bald.
Erich Kästner
Die Freunde
Zwei Knaben, Fritz und Ferdinand,
Die gingen immer Hand in Hand,
Und selbst in einer Herzensfrage
Trat ihre Einigkeit zutage.
Sie liebten beide Nachbars Käthchen,
Ein blondgelocktes, kleines Mädchen.
Einst sagte die verschmitzte Dirne:
Wer holt mir eine Sommerbirne?
Recht saftig, aber nicht zu klein?
Hernach soll er der Beste sein.
Der Fritz nahm seinen Freund beiseit
Und sprach: Das machen wir zu zweit;
Da drüben wohnt der alte Schramm,
Der hat den schönsten Birnenstamm.
Du steigst hinauf und schüttelst sacht,
Ich lese auf und gebe acht.
Gesagt, getan. Sie sind am Ziel:
Schon als die erste Birne fiel,
Macht Fritz damit sich aus dem Staube,
Denn eben schlich aus dunkler Laube,
In fester Faust ein spanisch Rohr,
Der aufmerksame Schramm hervor.
Auch Ferdinand sah ihn beizeiten
Und tät am Stamm heruntergleiten
In Ängstlichkeit und großer Hast.
Doch eh er unten Fuß gefaßt,
Begrüßt ihn Schramm bereits mit Streichen,
Als wollt er einen Stein erweichen.
Der Ferdinand, voll Schmerz und Hitze,
Entfloh und suchte seinen Fritze.
Wie angewurzelt blieb er stehn.
Ach, hätt' er es doch nie gesehn:
Die Käthe hat den Fritz geküßt,
Worauf sie eine Birne ißt.
Seit dies geschah, ist Ferdinand
Mit Fritz nicht mehr so gut bekannt.
Wilhelm Busch
Kindergebetchen
Erstes
Lieber Gott, ich liege
Im Bett. Ich weiß, ich wiege
Seit gestern fünfunddreißig Pfund.
Halte Pa und Ma gesund.
Ich bin ein armes Zwiebelchen,
Nimm mir das nicht übelchen.
Zweites
Lieber Gott, recht gute Nacht,
Ich hab noch schnell Pipi gemacht,
Damit ich von dir träume.
Ich stelle mir den Himmel vor
Wie hinterm Brandenburger Tor
Die Lindenbäume.
Nimm meine Worte freundlich hin,
Weil ich schon so erwachsen bin.
Drittes
Lieber Gott mit Christussohn,
Ach schenk mir doch ein Grammophon.
Ich bin ein ungezognes Kind,
Weil meine Eltern Säufer sind.
Verzeih mir, daß ich gähne.
Beschütze mich in der Not,
Mach meine Eltern noch nicht tot
Und schenk der Oma Zähne.
Ringelnatz
Der Scheidebrief
(die ledige Erna Schmidt schreibt)
Zwei Stunden sitz ich nun in Cafe Bauer.
Wenn du nicht willst, dann sag es ins Gesicht.
Deswegen wird mir meine Milch nicht sauer.
Ich pfeif auf dich, mein Schatz. Na schön, dann nicht!
Du brauchst nicht denken, dass ich dich entbehre.
Mit dem Verkehr mit mir, das ist jetzt aus.
Auch ich hab so etwas wie eine Ehre.
Lass dich nicht blicken, Schatz, sonst fliegst du raus.
Da sitz ich nun und weis nicht, wovon zahlen.
Der Ober guckt schon wie ein Dedektif.
Ich wollte, die Klosettfrau, Mutter Grahlen,
anpumpen. Doch das Rindvieh schlief.
Du bist der erste nicht der so verschwindet.
Das hab ich nicht an dir verdient, mein Kind.
Du glaubst doch nicht, dass sich kein andrer findet?
Es gibt noch welche, die in Stimmung sind.
Ich hab das Grüne an aus Poppelien.
Das Loch drinn hast du auch hineingerissen.
Du weißt es reicht mir nur bis zu den Knien.
Ich hab auch noch ein angefangenes Kissen....
Das solltest du am heiligen Abend kriegen.
Das ist nun aus und mir auch einerlei.
Es werden öfters andre darauf liegen.
Denn was vorbei ist, Schatz, das ist vorbei.
Ich sitz allein und wippe mit die Beine.
Verschiedne Herren reflektieren stark.
Bei Licht betrachtet seit ihr alle Schweine.
Was hilft das alles? Ich brauch hundert Mark.
Ich bin nicht stolz. Auch wär das nicht am Platze.
Wenn du was übrig hast dann schick es schnell.
Mir gegenüber feixt ein Herr mit Glatze.
Das ist der Scheff von Engelshorns Hotell.
Wenn du mich triffst du brauchst mich nicht zu grüßen.
Mann kann nie wissen und es stört auch blos.
Seit gestern nacht hab ich geschwollne Drüßen.
Wenn alles gut geht, ist da etwas los.
Na Schluß. Der Visawie von gegenüber
fragt ob ich wollte denn er möchte schon.
Der hat Moneten so ein alter Schieber.
Behalt dein Geld und schlaf allein, mein Sohn.
Auch du warst einer von die feinen Herrn.
Der Alte kommt. Er nimmt mich zu sich mit.
Rutsch mir den Buckel lang und hab mich gern.
Von ganzem Herzen Deine Erna Schmidt
Erich Kästner
VERGEBLICHE JAGD
Ein Mensch ist rastlos auf der Jagd
Nach rarstern Wild: nach einer Magd!
Er inseriert in Blatt und Blättchen -
Doch suchen Hunderte ein Mädchen.
Er fragt Bekannte, späht und horcht.
Die erste, sichtlich schon bestorcht,
Spricht vor - und sie will wiederkommen,
Vermutlich nur zum Niederkommen.
Die zweite möcht - und tut noch gnädig -
Mitbringen gleich zwei Kinder, ledig.
Die dritte zeigt sich gern bereit
Zu allem - nur nicht Hausarbeit!
Die vierte muß er rasch entlassen:
Sie hat im Schrank nicht alle Tassen.
Und das hat auch die fünfte nicht, -
Die nur, weil alle sie zerbricht.
Die sechste, grad erst frisch vom Land,
Verlangt vierhundert, auf die Hand.
Die siebte, alt und, scheints, bewährt,
Hat gleich die Ihren miternährt.
Die achte muß der Schutzmann holen,
Sie hat den Menschen ausgestohlen.
Wegjagen muß er auch die neunte,
Weil Nacht für Nacht sie draußen streunte.
Nun seufzt der Mensch: »Dann lieber kein
Wir machen jetzt den Dreck alleine !«
Die Reu ist lang nach kurzem Wahn -
Dann geht die Jagd von vorne an .....
Eugen Roth
Das Doktor-Knochensplitter-Spiel
Dazu braucht man nicht viel.
Nur ein Gänse- oder Hühnerknöchelchen.
Du, Berta, bohrst ein Löchelchen
Ins Sofa und schiebst das Knöchelchen
Weit rein, doch immer dicht unter die Sofahaut,
Daß man’s von außen wie Knorpel anfassen kann,
Was wie Geschwulst ausschaut.
Das Sofa ist dann dein Mann.
Ich bin der Doktor Frank.
Du sagst: »Mein Mann ist so krank.«
Ich fühle und sage mit ernster Miene:
»Er hat einen Splitter im Herzen sitzen«,
Und nehme das Ölkännchen von eurer Nähmaschine,
Um erstmal Betäubung in das Geschwür einzuspritzen.
Nun kommt die Operation; das ist das Schwere.
Ich nehme ein Messer und eine Schere.
Du nimmst ein Handtuch und fürchtest dich zuzusehn;
Darum drückst du die Augen zu.
Ich tu einen scharfen Schnitt, greife dann
- das muß wie der Blitz geschehn -
Mit der Zange (das ist die Schere) im Nu
Den Knochen Weil, wenn ich ihn nicht beim ersten Male geschickt
Gleich rausbekomme, – ist die Operation mißglückt.
- – - -
Das nächste Mal bist du Doktor Frank,
Und mein Mann ist krank.
- – - -
Angst darfst du nicht haben. Denn meine und deine
Eltern können uns – - – Weißt du, was ich meine?!?
Ringelnatz
Der Tod
Gestern, Brüder, könnt ihrs glauben? Drohend schwang er seine Hippe, Lieber Tod, sprach ich mit Tränen, Lächelnd greift er nach dem Glase; Fröhlich glaub ich mich befreiet, Tod, bat ich, ich möcht auf Erden Gut, wenn das ist, magst du leben: Oh! wie schön klingt dies den Ohren! Ewig muß ich also leben,
Gotthold Ephraim Lessing
Freundesbrief an einen Melancholischen
Du klagst, mein Freund, und jammerst sehr, Doch macht des Pulvers Knallgetös Falls aber, weil du heikel bist, Wie? Kitzlig bist du an dem Hals? Du schüttelst immer noch den Kopf?
Otto Julius Bierbaum
Erfolgloser Liebhaber
Ein Mensch wollt sich ein Weib erringen,
Eugen Roth
Die unmögliche Tatsache
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